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W olfgang M uthspiel
DRIFTWOOD
ECM/Universal CD_________________ (
43
')
Es war wohl nur eine Frage der
Zeit, bis er auch als Leader bei
ECM ankommen würde. Seinen La-
bel-Einstand gab der österreichi-
sche Gitarrist Wolfgang Muthspiel
dort vor einiger Zeit mit den Gi-
tarrenkollegen Ralph Towner und
Slava Grigoryan, doch schon län-
ger schien für ihn alles dorthin zu
führen. Studierte er doch bei Mick
Goodrick, spielte bei Gary Burton
und Paul Motian - Vorbildern, die
nicht allein seine Entwicklung be-
einflussten, sondern einst jene
ECM-Ästhetik definieren halfen,
mit der Muthspiel als junger Mu-
siker aufwuchs.
Bei Burton lernte er den Bassis-
ten Larry Grenadier kennen, den er
Larry Grenadier, Brian Blade,
Wolfgang Muthspiel (v.l.n.r.)
jetzt in sein neues Trio holte; mit
Brian Blade wiederum, Drummer
des Wayne Shorter Quartet, bildet
er seit einiger Zeit das unortho-
dox besetzte Duo Friendly Travel-
lers. Mit beiden hat Muthspiel al-
so vielfach gespielt, jetzt aber erst-
mals im Trio. Der Titel „Driftwood“
(Treibholz) trifft recht gut die Stim-
mung des Albums: den Holzklang
von Kontrabass und Gitarre, wenn
Muthspiel zur akustischen greift;
das entspannte Sichtreibenlassen
im Raum gebenden Zusammenspiel
der drei.
Denn diese nähern sich dem Drei-
erformat mit dem Klang- und Mu-
sizierideal eines Klaviertrios, be-
müht um die gleiche harmonisch-
klangliche Dichte und vergleichbare
Möglichkeiten, mit kontrastieren-
den Stimmen zu agieren. Muthspiel
selbst kostet die Soundpalette sei-
ner E- und Akustikgitarren aus, die
„klassisch“ klingende Nylon-String
spielt er durch und durch jazzge-
recht. Anspielungen auf Joe Zawinul
und Michael Brecker, auch auf Oli-
vier M essisn, stellen Bezüge her,
die musikalisch nicht immer ein-
gelöst werden. Doch das ist ja das
gute Recht eines jeden Musikers.
Berthold Klostermann
MUSIK ★
KLANG ★
Marco Ambrosini gehört zu den be-
deutendsten Solisten auf der Ny-
ckelharpa, einer in der schwedi-
schen Volksm usik beheimateten
Fiedel. Gemeinsam mit dem Ak-
kordeonisten Jean-Louis Matinier
spielt er eine hochoriginelle Musik,
die sich stilistisch jeglicher Einord-
nung entzieht. Barockes von Bach
wird nahtlos mit Improvisationen
verknüpft, in denen Tango Nue-
vo-Elemente ebenso durchschei-
nen wie Minimal Music oder imagi-
näre Folklore. Dabei begeistert die
klangliche Wandlungsfähigkeit von
Ambrosini ebenso wie das dyna-
misch-expressive Spiel Matiniers,
das immer wieder an den großen
Astor Piazzolla denken lässt.
mfv
Jean Louis M atinier/M arco Ambrosini
INVENTIO
ECM/Universal CD
(
47
’)
MUSIK ★
KLANG ★
Christof Lauer « NOR
Bigband
play Sidney Bechet
C hristof Lauer & NDR Bigband
PETITE FLEUR
ACT/Edel CD
(
58
')
Widmung eines großen Saxofonis-
ten von heute an den ersten großen
Sopransaxofonisten des Jazz. Doch
bei seinem Tribut an Sidney Be-
chet geht der Coltrane-sozialisier-
te Christof Lauer nicht zurück in die
Jazzvergangenheit. Seine Auswahl
von Stücken zeigt außer Standards
auch die französischen, ja nordaf-
rikanischen Einflüsse, die Bechet
schon aufgriff, und Rainer Tempels
Arrangements tun ein Übriges, die
modernen Seiten des Sopranpio-
niers zu unterstreichen. Dessen vib-
ratoreichem Spiel setzt Lauer ei-
nen schnörkellos geraden Ton ent-
gegen, der in einem unbegleite-
ten Solostück ganz pur zur Geltung
kommt.
klm
MUSIK
KLANG
J e ff Cascaro & HR Big Band
ANY PLACE I HANG MY HAT IS HOME
Herzog/Edel CD
(
47
’)
Sogar für einen Sänger, der sich
wie Jeff Cascaro in den m usikali-
schen Gattungen Blues, Soul und
Jazz wie zu Hause fühlt, dürften
Interpretationen von Evergreens
immer noch eine große Heraus-
forderung darstellen. Bereits vor
ihm haben zahlreiche Stars exzel-
lente Aufnahmen von „Over The
Rainbow“ und „Stormy Weather“
eingespielt. Dass Cascaro den un-
vergänglichen Songs aus der Fe-
der von Harold Arlen dennoch eine
neue Sichtweise abgewinnt, liegt
an der gekonnten Phrasierung und
dem Timbre seiner swingenden Vo-
kaleinsätze sowie der kongenialen
Begleitung durch die HR Big Band.
G.F.
MUSIK ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
Chick Corea
SOLO PIANO: PORTRAITS
Concord/Universal
2
CDs
(
131
’)
Bei einem Picasso-Porträt käme
nur ein Banause darauf, das Bild
mit dem Modell zu vergleichen.
Bei Chick Coreas „Portraits“ hätte
man gern mal Mäuschen gespielt
und einen Blick auf die Freiwilli-
gen erhascht, die sich bei seinen
Solokonzerten auf offener Bühne
m usikalisch „abbilden“ ließen.
Corea „zeichnet“ jedenfalls ganz
unterschiedliche Typen: verspiel-
te, verträumte, zögerliche, neu-
gierige, selbstbewusste. Zehn im-
provisierte „Portraits“ von Kon-
zertbesuchern gaben diesem live
eingespielten Doppelalbum den
Titel.
Corea ist kein Keith Jarrett. Er
unterhält sein Publikum, spricht
mit ihm, lädt es ein zum Mitma-
chen. Ein Live-Soloalbum von ihm
dokumentiert kein einzelnes, es
ist ein Zusammenschnitt aus meh-
reren Konzerten, ja einer ganzen
Tour. Das „Portraits“-Repertoi-
re überschneidet sich beträcht-
lich mit dem der 1999 ebenfalls
live aufgenommenen Soloalben
„Standards“ und „Originals“, doch
hört man jetzt auch Coreas lockere
Moderation durch das Programm.
Nonchalant plaudert er übers So-
loklavier, die Stücke, deren Urhe-
ber.
Kaum hat er sich, ohne das
Thema offenzulegen, in ein Stan-
dard hineinimprovisiert, spielt er
Klassiker von Bill Evans, Thelo-
nious Monk, Bud Powell (im Inne-
ren des Flügels) oder Stevie Won-
der; der zweite Teil gehört Scria-
bin-Preludien (Corea: „Die sind
wie Jazzsongs“), Bartok-Bagatel-
len, den beliebten eigenen „Chil-
dren’s Songs“ und den erwähnten
„Portraits“. Er spielt mit den The-
men, improvisiert um sie herum
und schafft mit dem persönlichen
Blick auf seine Helden, Vorbilder,
Einflussgeber aus Jazz und Klassik
auch ein m usikalisches Selbstpor-
trät.
Berthold Klostermann
MUSIK ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
142 STEREO 7/2014
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